Es pochte dumpf von der Tür. Das Holz schabte knarzend über den Boden. Gewandstoffe raschelten still, als sie sich in den Raum ergossen und feuchte Haut zögerlich auf den kalten Stein traf. Am Pult, das fein gearbeitete Schnitzereien zierte, blickte er auf. Es brannten zwei Kerzen, die die aufgeschlagene heilige Schrift erleuchteten. Sie flackerten mit einem Mal.
- Mein Vater. Es ist geschehen.
Die warm und gnädig lächelnden Augen verloren ihren Schein. Der Griff der Hände am Pult verhärtete sich, Halt suchend. Doch er fand keinen. Er wich fast taumelnd einige Schritte zurück, die Hand nach der Wand hinter sich ausgestreckt.
- Vater…
- Ja, mein Sohn. Du darfst gehen.
Wenig später verließ er das Kloster und eilte zum Anwesen seiner Eltern. Die Nacht war ruhig und trüb. Die Sterne waren verhangen von Wolken. Schemenhaft, ja diesig lugte der Mond hinter der Wolkendecke hervor. In seinem Kopf rumorten die Gedanken, im Herzen die Gefühle, im Magen die Krämpfe. Die Straße herab und einige Stufen hinauf. Unter einem Steinbogen her und scharf links. Der Moment des letzten Wiedersehens. Sie waren in Stille verstorben. Eine Dienerin öffnete tränenverhangen dem Abt und wich in ehrfurchtsvoller Verneigung vor ihm zurück. Er eilte durch die Arkaden des Innenhofes in das Schlafgemach, wo ein schwarz gekleideter Diakon und Arzt gerade die Aussegnung beschloss. Die Pestbeulen hatten seine Eltern furchtbar gezeichnet. Ihre Gesichter waren entstellt. Ehemals violette Kränze auf kreidebleicher Haut, manche bereits eitrig zerfasert. Süßlicher Geruch der unerbittlichen Verwesung durchströmte den Raum. Die Münder standen offen und die Augen blickten starr in den Himmel.
Der Mann erblickte seinen Abt.
- Mein Vater. Ich –
- Bruder Cosmas, wie groß war ihr Leiden?
- Sie sind erlöst.
Er nickte. Der Diakon ging. Er trat an das Bett und legte seinen Eltern die Hände auf.
Wer das Leben liebt,
darf den Tod nicht hassen.
Denn beide kommen aus der Hand
des gleichen Schöpfers.
Das Haus erbrachte ein kleines Vermögen. Die Ländereien versprachen eine stetige Pacht. Dem Monasterion war eine blühende Zukunft auf den Gräbern zweier Menschen beschert. Es floss über. Das Geld sammelte er im Keller, versteckt in drei schlanken und wenig ansehnlichen Stoffsäcken. Unbemerkt standen sie zwischen den Vorräten. Verschlossen im Bereich des Cellerars.
Seine Augen gewannen ihren Glanz zurück, als die Eltern verscharrt waren. Er sah den Lichtschein des Himmels in der Dunkelheit, durch die er wanderte, bevor die Vigilien beginnen mussten. Er sah, wovon viele gerade träumten. Wie ein leises Säuseln, das vor ihm herlief und an einem Haus kleben blieb. Die Ruhe des Alltags lag wie ein Schleier über den Wunden der Pest. Der Nebel durchdrang die verwinkelten Gassen und ließ einen klammen Film auf den Steinhäusern und Straßen zurück. Man musste sich sorgen, nicht auszugleiten in dieser Zeit, die dem Monasterion großen Reichtum eingebracht hatte. Der ehrwürdige Vater wusste das, als er vor dem Haus stand, das Bruder Cosmas ihm gewiesen hatte.
Er stellte seine Last ab vor dem Fenster. Dann spannten sich die Muskeln. Ein dumpfes Aufschlagen. Ein weiteres, ein letztes. Es waren drei schlanke und wenig ansehnliche Stoffsäcke.
Eine der drei Töchter schlief unruhig. Sie erwachte von den drei dumpfen Tönen. Lief zum Fenster. Alle Sorgen lösten sich mit den Schnüren, die die Stoffsäcke verschlossen. Ein Keuchen von draußen ließ sie aufhorchen und durch das Fenster nach der Welt schauen. Sie sah eine schwarze Gestalt hinter der Gasse verschwinden.
In aller Frühe lief sie geschwind zum Monasterion. Sie klopfte an das große Portal. Es öffnete niemand. Es war die Zeit der Laudes. Sie hörte Fußtapsen hinter sich wie von jemandem, der sich verspätete.
– Cosmas, ich danke dir!
Er wies ablehnend von sich weg. Auf die Kirche, aus der die Gebete erklangen.
– Nicht mir. Dank‘ unserem Vater Nikolaus!