Josef — Israels Sohn und seine Träume

Er ist mein Sohn.

Sei­ne Augen leuch­ten immer, wenn er spricht. Sie sind dann eines Glan­zes voll, der mich erfüllt. Es ist die Phan­ta­sie, die sich in sei­nem Her­zen ver­ber­gen will und dann doch aus ihm her­vor­bricht — der Son­ne hin­ter Wol­ken gleich. Bunt und präch­tig ist die Welt, die er in sich spürt. Stark, ja mäch­tig drängt es spru­delnd von sei­nen Lip­pen, an denen ich hän­ge, wie ich frü­her an sei­ner Mut­ter Lip­pen hing.

Weit ist das, was er erzählt, viel wei­ter als die enge Steppe.

Sei­ne Träu­me heben mich aus mei­nen Sor­gen. Sie tra­gen mich weit auf Flü­geln, die mir die Enden der Erde zei­gen wol­len. Wenn er spricht, dann ist die Welt nicht mehr san­dig und hart, son­dern weich und wal­lend. Die gan­ze Pracht, die aus sei­nem Mun­de quillt, wallt an ihm her­ab bis zu den Füßen. Bun­te Strö­me war­mer Far­ben rin­nen gol­den über ihn. Sie über­klei­den den zer­schlis­se­nen Stoff, der wert­voll schei­nend wird wie Purpur.

Mein Herz wird leicht, wenn ich an ihn nur den­ke. Sein Innen leuch­tet außen.

Er ist mein Sohn.

Wenn er spricht, — Ach, wenn er spricht, — Ja, wenn er spricht,

— dann arbei­tet er nicht. So sehen die ande­ren scheel ihn an; die ande­ren, die auch mei­ne Söh­ne sind. Wenn er spricht, dann bleibt die Arbeit lie­gen. So reden die ande­ren von ihm. Die ande­ren, die dafür sor­gen, dass wir etwas zum essen haben. Wenn er spricht, dann reicht das nicht. So sind die ande­ren ohne ihn, weil sie nicht anders kön­nen. Die, die auch mei­ne Söh­ne sind. Die muti­gen und tap­fe­ren. Die tüch­ti­gen und flei­ßi­gen. Die stär­ke­ren und kräftigeren.

Dabei sind sie nur so, weil er ihnen das nicht ist.

Ich bin wie sie.

Wie die­se Söh­ne, die ich auch liebe.

Aber die­sen Einen – mei­nen Sohn –, den lie­be ich,
weil er mir zeigt, dass mein Leben nicht so sein muss, wie es ist.

Ach, die­sen Einen – mei­nen Sohn –, den lie­be ich,
weil er nicht ist, wie ich es bin.

Ja, die­sen Einen – mei­nen Sohn –, den lie­be ich,
weil ich dank ihm, mein Leben leben kann.

Denn Er ist mein Sohn, des­sen Träu­me ihn klei­den wie einen König.


Liturgiefuchs

Zu der Wei­se der bibli­schen Erzäh­lung gehö­ren die Leer­stel­len und das Schwei­gen. Sie haben mich seit jeher fas­zi­niert. Über Isra­els Lie­be zu sei­nem Sohn Josef und des­sen Träu­men habe ich dar­um ein­mal – in die Leer­stel­le hin­ein – einen Lücken­bü­ßer zu Gene­sis 37 geschrieben.

Bleibt behü­tet, dafür betet
Euer Liturgiefuchs