EuARe 2017 in Bologna und San Giovanni in Monte Oliveto

EuARe — Euro­pean Aca­de­my of Reli­gi­on. Dies ist der Name des inter­na­tio­na­len Kon­gres­ses in Bolo­gna, an dem ich vor weni­gen Tagen teil­neh­men durf­te. Die Fon­da­zio­ne per le Sci­en­ze reli­gio­se Gio­van­ni XXIII hat­te in die wun­der­schö­ne his­to­ri­sche Haupt­stadt der Emi­lia Roma­gna ein­ge­la­den und Theo­lo­gen aus der gan­zen Welt kamen zusam­men. Unweit der Kir­che San Gio­van­ni in Mon­te Oli­ve­to hielt ich mei­nen Vor­trag zur Bedeu­tung der lit­ur­gi­schen Bewe­gung in den evan­ge­li­schen Kir­chen Anfang des 20. Jahr­hun­derts. Nach­dem das Panel Ecu­me­nism in Ger­ma­ny been­det war, stol­per­te ich in die­ses Klein­od auf Bolo­gnas Ölberg. Und mit einem Mal stand ich nach einem Tag vol­ler Öku­me­ne vor dem Hei­land, der bete­te „Ut omnes unum sint“.

Fassade von San Giovanni in Monte, Bologna (Während der euare 2017 aufgenommen)

die Rote, die Gelehrte und die Fette“

So nennt man die alte Dame Bolo­gna. Gera­de in einer so ver­win­kel­ten Stadt, in der man in jeder Gas­se hun­der­te Jah­re Geschich­te atmet, ver­ber­gen sich man­che Geheim­nis­se. Der rote Back­stein­bau San Gio­van­ni in Mon­te Oli­ve­to (Hei­li­ger Johan­nes auf dem Ölberg) gehört ein­deu­tig dazu. Wobei roter Back­stein fast einen Pleo­nas­mus in Bolo­gna dar­stellt. Rot heißt sie des Back­steins wegen, der das Ant­litz der gesam­ten Innen­stadt mit­samt den Arka­den prägt. Gelehrt ist ihre Uni­ver­si­tät, die zu den ältes­ten Euro­pas gehört. Und Fett… Nun ja über das Gewicht einer so alt­ehr­wür­di­gen Dame spricht man nicht, aber soviel sei gesagt: ich habe wäh­rend des gesam­ten Kon­gres­ses der euare 2017 geschmaust wie lan­ge nicht mehr. Viel­leicht ist La Gras­sa auch gar nicht selbst fett, son­dern macht fett. Das könn­te ich jeden­falls schmun­zelnd bestätigen.

Typische Arkadenstraße in Bologna

Arkaden und Piazze

Die tro­cke­ne Hit­ze in Bolo­gna lässt sich am bes­ten in den wun­der­schö­nen Arka­den aus­hal­ten. Die meis­te Zeit habe ich auf mei­nen Streif­zü­gen dort ver­bracht und gestaunt. Etwa, wenn mit einem Mal ein klei­nes Kirch­lein oder eine Kapel­len­pfor­te in der Arka­den­wand auf­tauch­te. Es scheint ein altes Gesetz gege­ben zu haben, dass die Häu­ser in der Innen­stadt alle Arka­den­vor­bau­ten haben muss­ten. Für die Tou­ris­ten und Besu­cher ist das heu­te ein Segen. Von unten kühlt der Stein­bo­den. Von oben spen­den die Bögen Schat­ten. Und meis­tens kommt von vor­ne ein lau­es Lüft­chen, das Abküh­lung spen­det. Da waren auch 36° C im Schat­ten kei­ne Her­aus­for­de­rung. Mit ent­spann­ter Ruhe ließ sich das sehr gut aushalten.

Fassade der Basilika San Petronino, im Vordergrund Stühle vom Filmfestival, das sich zeitlich an die Euare 2017 anschloss.

Wirk­lich drü­ckend war es nur auf den vie­len Piaz­ze, wo die Son­ne mit aller Kraft her­ab­bren­nen konn­te. Auch auf dem Haupt­platz Bolo­gnas, der Piaz­za Mag­gio­re, an der neben dem berühm­ten Nep­tuns­brun­nen mit der Basi­li­ca San Petro­ni­no auch die größ­te Back­stein­kir­che der Welt steht, war es uner­träg­lich heiß. Den­noch tum­mel­ten sich die Tou­ris­ten dort. Stra­ßen­mu­si­ker erspiel­ten sich klei­ne Hono­ra­re. Bett­ler baten um mil­de Gaben. Auch die Flücht­lings­kri­se, die seit eini­gen Jah­ren Euro­pa beschäf­tigt, war trau­ri­ger­wei­se mit Hän­den zu greifen.

Brunnen im Innenhof der gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bologna

EuARe 2017 — Ex nihilo Zero, Bologna

Das Vor­trags­pa­nel „Ecu­me­nism in Ger­ma­ny befo­re the Second Vati­can Coun­cil“ der EuARe fand in einem Palaz­zo an der Piaz­za San Gio­van­ni in Mon­te statt. Aus Ita­li­en, Frank­reich, der Schweiz und Deutsch­land kamen die Vor­tra­gen­den und deck­ten in der Aula Ovi­dio Capi­ta­ni Zusam­men­hän­ge auf, die heu­te nahe­zu ver­ges­sen sind. Öku­me­ne im Anfang des 20. Jahr­hun­derts war eine Sache des Lebens, nicht des Papiers.

Detailaufnahme aus dem Innenhof der gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bologna

Die in der Una-Sanc­ta-Bewe­gung enga­gier­ten Men­schen leb­ten öku­me­nisch, oft expe­ri­men­tell aber sehr erfolg­reich. Gren­zen sind über­sprun­gen wor­den, nicht zemen­tiert. Denn, wer den Ande­ren schlicht den Ande­ren sein lässt, und dies für sich auch bean­sprucht, nähert sich ihm nicht, son­dern bleibt im letz­ten von ihm ent­fernt. Anfang des 20. Jahr­hun­derts änder­te man sich zuerst selbst und näher­te sich dar­in dem Ande­ren an. Der Ande­re wur­de zum eige­nen Bru­der, ganz wie es im Anfang war.

Galerie der gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät

Wenn man stu­diert, hat man sel­ten Augen für die Gebäu­de, in denen man ler­nen darf. Mir ging es jeden­falls in Bonn und Müns­ter so. Obwohl bei­de Uni­ver­si­tä­ten von wun­der­schö­nen Schlös­sern beher­bergt wer­den. Da lauscht man den Vor­le­sun­gen der Pro­fes­so­ren in alten Pracht­zim­mern, zu denen man als ein­fa­cher Bür­ger­li­cher nie­mals Zutritt gehabt hät­te. Ähn­lich konn­te man über den Palaz­zo stau­nen, in dem wir uns im Rah­men der EuARe trafen.

Hauptschiff von San Giovanni in Monte

San Giovanni in Monte in Nachbarschaft zur EuARe

Am 8. Mai 435 weih­te der Hei­li­ge Bischof Petro­ni­us, Patron Bolo­gnas, an der Stel­le der heu­ti­gen Kir­che eine klei­ne Kapel­le. Sie soll­te der Kapel­le der Hei­li­gen Kon­stan­tin und Hele­na glei­chen, die die bei­den in Jeru­sa­lem auf dem Ölberg errich­tet hat­ten. Petro­ni­us woll­te auf sie­ben Hügeln in Bolo­gna Kir­chen errich­ten, um die Land­schaft um Jeru­sa­lem her­um nach­zu­bil­den. Für mich war die mil­de Stil­le, die von der Hei­lig­keit der Eucha­ris­tie in der Kir­che zurück­bleibt, und die gnä­di­ge Küh­le der hohen Mau­ern wie die Sphä­re des Himm­li­schen Jeru­sa­lems, das ich mit dem Kir­chen­por­tal betre­ten hatte.

Christusstatue in San Giovanni in Monte

Die Sta­tue von Jesus Chris­tus, der am Stamm des Kreu­zes lehnt, ist natür­lich der ers­te Moment, der dem Besu­cher ehr­fürch­ti­ge Auf­merk­sam­keit abver­langt. Die­ser Kreuz­al­tar, auf dem sechs gro­ße Leuch­ter ste­hen, ist der ältes­te Punkt des gesam­ten Baus. Wahr­schein­lich ist es der ein­zi­ge Teil, der von der ursprüng­li­chen Kapel­le aus dem fünf­ten Jahr­hun­dert noch erhal­ten ist. Die­se war der Him­mel­fahrt Chris­ti geweiht, daher steigt Chris­tus hier, auch wenn der Cor­pus sicher wesent­lich jün­ge­ren Alters ist, vom Kreuz herab.

Kanzel in San Giovanni in Monte Oliveto

Zur lin­ken des Kreuz­al­tars steht die Kan­zel, als Ort der Pre­digt, direkt in der Men­ge des Kir­chen­vol­kes. Zwar hat die Kir­che heut­zu­ta­ge eine Bestuh­lung und Kir­chen­bän­ke, doch sind die­se eine ganz jun­ge Ent­wick­lung. Das sehen wir auch noch in den ortho­do­xen Kir­chen, die nur für alte und kran­ke Men­schen ver­ein­zelt Stüh­le bereit­hal­ten. Und das, obwohl die ortho­do­xe gött­li­che Lit­ur­gie Stun­den um Stun­den dau­ert. Bequem­lich­keit ist der Kir­che ursprüng­lich fremd. Dazu gehö­ren auch Mikro­phon­an­la­gen, was den Stand­ort der Kan­zel erklärt. Man soll­te die Ver­kün­di­gung ja auch ver­ste­hen. Mir ist bei der Besich­ti­gung aller­dings kei­ne Lei­ter oder Trep­pe auf­ge­fal­len. Ent­we­der wird die­se nur zu den Mes­sen her­an­ge­tra­gen oder die Kan­zel ist heu­te nicht mehr in Gebrauch. Zwei­te­res erscheint mir wahrscheinlicher.

Opferkerzen zur rechten des Kreuzaltars

Anders als die Kan­zel kün­den die Opfer­ker­zen vom Glau­ben und dem Ver­trau­en des Kir­chen­vol­kes, das sich hier zur hei­li­gen Mes­se ver­sam­melt. Sie ste­hen vor dem Kreuz­al­tar und ver­zeh­ren sich als stum­me Zeu­gen gen Him­mel. In mei­nen Augen sind Ker­zen Sinn­bil­der für den Dienst, den der Mensch Gott leis­tet. Die Ker­ze, wie der Mensch brennt nicht aus sich selbst her­aus, son­dern muss ange­steckt wer­den. Die Ker­ze vom Streich­holz, der Mensch vom Pfingst­feu­er. Die Zeit der Ker­ze ist begrenzt, sie brennt, ver­zehrt sich ganz für das Feu­er und steigt dar­in auf zum Him­mel. So ist es mit dem Men­schen, der Gott dient.

Hauptkapelle / Presbyterium von San Giovanni in Monte

Ort der Heiligen Eucharistie

Die Haupt­ka­pel­le – und dafür bin ich der EuARe 2017 dank­bar – war ein ech­tes Erleb­nis. Hier ist der Ort, an dem Eucha­ris­tie gefei­ert wird, an dem Chris­tus zu den Men­schen zurück­kehrt im hei­li­gen Sakra­ment des Altars. Die Chris­ten aller Jahr­hun­der­te leb­ten aus die­sem Sakra­ment und für die Men­schen der Una-Sanc­ta-Bewe­gung, über die die Wis­sen­schaft­ler mei­nes EuARe-Panels forsch­ten, galt dies in beson­de­rem Maße. Hier in San Gio­van­ni in Mon­te ist der Altar geschmückt mit einem Gemäl­de des Letz­ten Abend­mahls. Also von dem Tisch, an dem alles begann.

Kuppel in San Giovanni in Monte

Die Kup­pel aus dem 15. Jahr­hun­dert wölbt sich vor dem Pres­by­te­ri­um und ist heu­te lei­der in einem real­tiv schlech­ten Zustand. Die Son­ne mit dem Chris­tus-Mono­gramm IHS (Iesus homi­num sal­va­tor — Jesus Ret­ter der Men­schen, volks­tüm­lich: Jesus Hei­land Selig­ma­cher) sitzt als Schluß­stein dar­in. Die Son­ne der Gerech­tig­keit scheint über die­sem Kirch­bau mit dem urita­lie­ni­schen Mono­gramm des Hei­li­gen Bern­har­din von Siena.

Sakramentskapelle in San Giovanni in Monte Oliveto

Die Sakra­ments­ka­pel­le ließ mich dann erschau­ern. Die Lam­pen und die Evan­ge­lis­ten­sta­tu­en umrin­gen den Altar mit dem Leib Chris­ti. Vor dem Altar befin­det sich eine Iko­ne mit Chris­tus und dem Lieb­lings­jün­ger Johan­nes an Sei­ner Brust. Neun Leuch­ter umste­hen den Taber­na­kel. Über ihm auf dem Gemäl­de ist das Geheim­nis der Mensch­wer­dung dar­ge­stellt. Die Chris­tus-Gegen­wart offen­bart sich hier in allen lit­ur­gi­schen Gegen­stän­den und dem Schmuck. Wort­los dringt die Ver­kün­di­gung des Wor­tes direkt ins Herz.

Kirchenfenster mit dem Seher Johannes

Die­se wort­lo­se Kom­mu­ni­ka­ti­on geht mir bis heu­te nach. Viel­leicht wird an die­ser Stel­le beson­ders deut­lich, auf wel­che Wei­se Chris­tus das Wort Got­tes ist. Ja, wie Gott über­haupt wort­los Wor­te benutzt und spricht, seit dem Neu­en Bund. Die Inkar­na­ti­on Chris­ti sprengt das gött­li­chen Spre­chen mit Wor­ten. Der Mensch ist an sei­ner Stel­le, wie der Seher Johan­nes und schaut stau­nend die Ewig­keit Got­tes. Zuerst in Chris­tus, dann im Han­deln derer, die ihm die­nen. Die Ver­ba­li­sie­rung ist dann die Leis­tung des Men­schen durch die Füh­rung der Engel. So erzählt es eines der Kir­chen­fens­ter wort­los, das den Seher Johan­nes auf dem Ölberg dar­stellt. Ein Engel zeigt ihm die sie­ben Leuch­ter der Apo­ka­lyp­se. Er schreibt und schafft Wor­te, damit ande­re in sei­nen Wor­ten schau­en, wel­che Wahr­heit er mit den Augen erbli­cken durf­te. Das Sym­bol des Evan­ge­lis­ten ist der Adler. Von oben hat man den bes­ten Überblick.

Alpen auf dem Rückflug nach Deutschland